Der europäische Spieler

11.09.2012

florian_geheeb
Warum die Regelung zum Einsatz ausländischer Spieler im österreichischen Amateurfußball fallen muss. Ein Kommentar aus aktuellem Anlass
Seit ein paar Wochen berät sich eine Arbeitsgruppe des ÖFB zum Thema der „Ausländerregelung im Amateurfußball“. Nach dem momentanen Pasus in den Meisterschaftsregularien dürfen maximal zwei Spieler auf dem Spielbogen stehen, die nicht über einen österreichischen Pass verfügen oder „einem Österreicher gleichgestellt“ sind. Wenn das Gremium - bestehend aus den neun Landesverbandspräsidenten, Juristen und anderen Vertretern der Vereine - zum Schluss seiner Überlegungen zu einem Ergebnis kommt, kann und muss dies das Ende der bisherigen Ausländerregelung sein.

Warum?
Betrachten wir zunächst den juristischen Rahmen, in dem wir uns bewegen. Im Zuge der Verträge von Maastricht und Lissabon wurde ein europäischer Staatenverbund gegründet, der es sich zum Ziel gemacht hat, die Grenzen zwischen den europäischen Ländern sukzessive zu öffnen. Egal ob auf dem Sektor des europäischen Binnenmarkts (Wegfall der Zölle), bei der Erstellung politischer Leitlinien, der Einführung einer einheitlichen Währung und nicht zuletzt einem für alle EU-Länder gültigen Standard an Grundrechten für die Bürger, die Europäisierung schreitet in großen Schritten voran. Kernbestandteil dieses für alle EU-Bürger geltenden Gemeinschaftsrechts ist unter anderem das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit. Demnach haben alle Unionsbürger das Recht in jedem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, unter den gleichen Voraussetzungen eine Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben wie ein Angehöriger dieses Staates. Vom Begriff des Arbeitnehmers sind auch Studenten als sogenannte Prä-Arbeitnehmer erfasst, was unter anderem zur Folge hat, dass bei der Bewerbung auf einen österreichischen Studienplatz das deutsche Abitur der Matura gleichgestellt wird.

Amateurfußball und EG-Recht
Adressaten dieser Arbeitnehmerfreizügigkeit sind aber auch Verbände. Aus diesem Grund hat der EuGH 1995 eine Regelung der UEFA gekippt, nach der pro Mannschaft nur drei Profi-Fussballspieler mit ausländischem Pass gleichzeitig auf dem Feld stehen durften (das sogenannte Bosman-Urteil).
Grundsätzlich fällt ein Amateurfußballer-Spieler nicht in den Anwendungsbereich der AN-Freizügigkeit, da er mit Fußball nicht seinen Lebensunterhalt bestreitet. Daher hat auch das Bosman-Urteil für Amateurverbände nur eine untergeordnete Rolle, da dieses sich ebenso auf die Gruppe der Berufsfußballer bezieht. Trotzdem finden sich in diesem Grundrecht bzw. Urteil die Grundgedanken der EU wieder: Es soll am Ende keinen österreichischen, deutschen oder italienischen Staatsbürger mehr geben, sondern einen europäischen Bürger. Und wenn wir schon eine Gleichstellung der EU-Bürger in den verschiedensten Bereichen von Politik, Sport und Wirtschaft wollen und haben, warum dann nicht auch im Amateurfußball?

EG-Diskriminierungsverbot aufgrund der Nationalität
Es gibt aber noch eine weitere gemeinschaftsrechtliche Regelung, an dessen Maßstab sich die Ausländerregelung messen lassen muss. Diesbezüglich hat der Rechtsausschuss des Deutschen Basketball-Bundes (DBB) 2010 entschieden, dass eine Regelungen in den deutschen Basketball-Regionalligen - welche die Anzahl der einzusetzenden Ausländer auf zwei pro Team beschränkt hat - gegen das Diskriminierungsverbot des Europäischen Gemeinschaftsvertrag verstößt. Nach diesem Verbot darf niemand aufgrund seiner Nationalität anders behandelt werden. Der Ausschuss begründete diese Entscheidung, dass nach ständiger EU-Rechtsprechung Sportverbände und ihre Satzungen die grundlegenden Rechte des EU-Vertrags und speziell das Prinzip der Nicht-Diskriminierung auf Grundlage der Nationalität respektieren müssen.
Eine andere Einschätzung bezüglich der aktuellen Lage in Österreich ist in meinen Augen nicht ersichtlich. Eine Rechtfertigung, warum im Amateurfußball eine Diskriminierung aufgrund der Nationalität zulässig ist, wird nicht gelingen. Wenn es schon für Arbeitnehmer und Profi-Fußballer keinen Grenzen innerhalb der EU für die Ausübung ihrer Tätigkeit gibt,  dann kann es sie auch nicht für den Amateursportler geben, der nur seinem Hobby nachgehen möchte.

Integration als Aufgabe des Amateurfußballs
Neben diesen juristischen Argumenten sollte die Kommission aber auch nicht andere, soziale Aspekte bei einer Neuregelung vergessen - zum Beispiel die Integration. Integration wird in keinem anderen Bereich des Lebens besser oder leichter gelingen als im Sport. Die Nationalität des Mitstreiters spielt keine Rolle, wenn es darum geht, einen Wettkampf oder ein Fußballspiel zu gewinnen. Für Studenten oder junge Arbeitnehmer, die aufgrund der Ausbildung oder des Arbeitsplatzes nach Österreich kommen, ist Sport die schnellste und einfachste Möglichkeit, sich im gesellschaftlichen Leben zu integrieren. Es kann nicht sein, dass genau diesen Menschen die Ausübung ihres Hobby aufgrund diskriminierender Regelungen verwehrt wird. Natürlich wird den Befürwortern der Regelung nun einfallen, warum diese Beschränkung überhaupt geschaffen wurde. Neben dem romantischen Aspekt darf man den finanziellen Anreiz des Amateurfußballs nicht vergessen. Eine durchaus positive Nebenerscheinung der aktuellen Regelung ist, dass vor allem Vereine nahe Grenzgebieten nicht unbeschränkt ausländische Akteure verpflichten können, um ihre Kampfmannschaft zu verstärken. Für das Ziel, dem eigenen Nachwuchs mehr Einsatzmöglichkeiten zu verschaffen, ist dies mit Sicherheit förderlich. Allerdings kann und darf das nicht Aufgabe des Verbandes sein, für diesen Zweck entsprechende - europarechtswidrige - Regelungen zu erlassen. Es sind die Vereine, die ein Interesse an der Förderung des Nachwuchs haben. Somit tragen sie auch die Verantwortung bei der Umsetzung. Denn wenn die Vereine das Geld nicht in die Bezahlung der Legionäre stecken bleibt auch mehr Geld für den Eigenbau zur Verfügung.
Und genau mit dieser Selbstregulierung bringt man den Verband nicht in die nahezu unmögliche Situation, eine Regelung zu finden, die allen Interessen gerecht wird und dazu noch zwischen dem „Hobby-Fußballer“ und dem „Amateur-Legionär“ differenziert.


Thema Identifikation
Und wie soll sich eine Gemeinde zukünftig mit dem ortsansässigen Verein identifizieren, wenn er nur noch aus lauter „Zugroastn“ besteht? Auch hier lautet das Zauberwort Selbstregulierung. Aber man darf nicht vergessen: die Identifikation mit einem Verein findet nicht aufgrund der Staatsangehörigkeit sondern der Vereinszugehörigkeit statt. Die Zuschauer und Fans können sich dann mit ihrer Mannschaft identifizieren, wenn sie die Spieler kennen, weil diese schon lange Mitglied im Verein sind. Genau diese Zugehörigkeit erreicht man aber nicht über eine Ausländerbeschränkung, sondern beispielsweise über eine - in Ober- und Niederösterreich bereits bewährte - Stammspieler bzw. Eigenbauspieler-Regelung. Danach müssen je nach Liga sechs bis acht Stammspieler auf dem Spielberichtsbogen stehen. Stammspieler wird nur, wer mindestens drei aufeinanderfolgende Jahre einem Verein angehört. Ist jemand Stammspieler, spielt es auch keine Rolle mehr, welche Nationalität im Reisepass steht. Acht Stammspieler sind mehr als die Hälfte der Spieler, die auf einem Bogen benannt werden dürfen. Eine landesweite Regelung in diesem Sinne ist die einfachste und zugleich diskriminierungsfreie Möglichkeit, eine Identifikation zwischen Mannschaft und Fans zu schaffen.

Stammspielerregelung OHNE Ausländerbeschränkung
Aus diesen angesprochenen Bedenken bin ich der hoffnungsvollen Überzeugung, dass auch die Arbeitsgruppe des ÖFB am Ende zu dem Ergebnis kommen wird, dass die aktuell gültige Regelung nicht mit Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Bei der Suche nach möglichen Lösungen für die Förderung des Nachwuchses, Kontinuität und Identifikation in Vereinen genügt ein Blick in die Verbandsregularien des OÖFV und NÖFV.
Redakteur
florian.geheeb@sjbet.at

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