Nachspielzeit

08.08.2016

taktikboard
Meine Tätigkeit als Redakteur der ÖFB Frauen Bundesliga auf fanreport.com endet nach fünf Jahren.
11teamsports Beat The Cold Liebe Leserinnen und Leser, liebe Fans des österreichischen Frauenfußballs!

Als ich vor rund fünf Jahren, im Herbst 2011, die Berichterstattung zur ÖFB Frauen Bundesliga auf fanreport.com aufnahm, hatte ich es aus verschiedenen Gründen nicht für möglich gehalten, so lange dabei zu bleiben.

Doch das änderte sich schnell. Schon sehr bald hatte ich es nicht mehr für möglich gehalten, jemals kein "Fanreporter" mehr zu sein. Schon alleine deshalb, weil es sich die Spielerinnen, TrainerInnen und FunktionärInnen durch ihre Leistung und ihren Einsatz auf und neben dem Rasen verdienen, mediale Aufmerksamkeit zu erfahren. Aber auch deshalb, weil es mir immer großen Spaß gemacht hat, "am Ball zu bleiben", die Entwicklung der Sportart an sich, jene ihrer Strukturen, Vereine und ProtagonistInnen, zu verfolgen.

Mittlerweile erfordert meine hauptberufliche Tätigkeit in einem anderen Bereich der Medienbranche aber so viel zeitliche Flexibilität, dass ich zur neuen Saison keine angemessene redaktionelle Betreuung der ÖFB Frauen Bundesliga - das heißt: wöchentlich fünf Vorschauen, fünf Spielberichte und die dafür notwendigen 20 Telefongespräche mit TrainerInnen - garantieren hätte können. Deshalb endet meine Redakteurstätigkeit bei fanreport.com nach fünf Jahren.

Stillstand? Von wegen!

Auf den ersten Blick ist in dieser Zeit nicht viel passiert. Die zehn seither ausgespielten nationalen Titel teilten sich – mit Neulengbach und St. Pölten – ganze zwei (!) Vereine. Eine Champions-League-Teilnahme erspielten sich über die Jahre auch nur die genannten Vereine, vor wenigen Wochen kam immerhin noch Sturm Graz dazu. In der gleichen Zeit verbesserte sich aber auch das ÖFB-Nationalteam von seinem "Stammplatz" Nahe Position 40 auf Rang 25 der FIFA-Weltrangliste.

Um also zu sehen, wie weit "unser Sport" in seiner Entwicklung tatsächlich bereits gekommen ist – und in welchen Bereichen realistische Verbesserungs-Potenziale liegen (oder nicht liegen!) – braucht es mehr als ein bloßes Kratzen an der Oberfläche.

Deshalb möchte ich, ehe ich Euch und Ihnen abschließend für die jahrelange Treue danke, noch ein letztes Mal meine persönliche Meinung zur Lage des österreichischen Frauenfußballs kundtun. Ziel des "Streifzugs" ist es, Zusammenhänge, Chancen, Risiken, Kompromisse und Probleme für und zwischen Trainern, Vereinen, Spielerinnen, Verbänden aufzuzeigen und diese auch den weniger involvierten Fans näherzubringen. Andererseits aber auch, verschiedene Sichtweisen auf unterschiedlichste Teilaspekte des Themenkomplexes "Frauenfußball in Österreich" anzubieten und so für Klarheit, neue Ideen oder Denkanstöße zu sorgen.

Grundlage für folgende Ausführungen sind Notizen und Erinnerungen aus meiner jahrelangen Zusammenarbeit mit TrainerInnen, FunktionärInnen und Spielerinnen, vor allem aber persönliche Erfahrungen und Empfindungen.

Erfolg steht und fällt mit Akademie

Nicht nur fanreport.com hatte den Frauenfußball als aufstrebende, attraktive Sportart mit gewaltigem Entwicklungspotenzial gesehen, als die Plattform die ÖFB Frauen Bundesliga 2011 in ihr "Sortiment" aufnahm. Auch der nationale Fußballverband hatte da längst die Zeichen der Zeit erkannt und startete im selben Jahr das "Nationale Zentrum für Frauenfußball" (NZF) in St. Pölten. Wenngleich auch schon vor 2011 vereinzelt Fußballerinnen in das Sportinternat aufgenommen wurden, erst mit dem Startschuss zum NZF stieg die Qualität der Ausbildung bis auf das heute bereits erreichte europäische Spitzenniveau an. Dies taten nicht nur hochrangige UEFA-Funktionäre bei Besuchen in der "Sportwelt Niederösterreich" kund. Auch sämtliche TrainerInnen der Bundesliga-Teams fanden über die Jahre durchgängig lobende Worte für die Qualität der Ausbildung am Standort St. Pölten.

Zugegeben: NZF und ÖFB zu diskreditieren wäre schwer, angesichts der Erfolge, die sich seither einstellten. Seien es die unmittelbar bevorstehende erste EM-Qualifikation einer österreichischen A-Nationalmannschaft überhaupt oder die beiden Endrunden-Teilnahmen des Jahrgangs 1997/98 (U17-EM in England 2014, U19-EM in der Slowakei 2016). Nicht zuletzt weil ich das Glück hatte, mich in den vergangenen Wochen im EM-Quartier der ÖFB-Auswahl selbst von der großen Qualität der Akademie-Spielerinnen zu überzeugen, behaupte ich: Die Endrunden-Teilnahmen werden in naher Zukunft eher nicht die Ausnahme bleiben.

Und daran hat das NZF, das mit seinem professionellen Umfeld – bestehend aus top-ausgebildeten Ärzten, Trainern, Physiotherapeuten, Psychologen und Pädagogen – zweifelsfrei großen Anteil. 14-19 Jährige Spielerinnen werden durch fundierte sportliche Ausbildung, einhergehend mit dem Schulalltag, an den Profifußball herangeführt. Das Ganze passiert dazu noch zentral an einem Standort, sodass sämtliche Jugendnationalteams im Grunde das gesamte Jahr hindurch mit dem vertrauten Trainerstab arbeiten und Taktiken, Spielsysteme und Philosophie vom ersten Tag an verinnerlichen können.

Standortvorteile müssen verschwinden

Doch dabei darf der zweite wesentliche Teil der Ausbildung nicht außer Acht gelassen werden. Nämlich jene, die nicht in St. Pölten stattfindet, sondern in den Stammvereinen. Denn ohne die so wichtigen Bewerbsspiele, die Akademiespielerinnen in ihren Klubs absolvieren, wäre die Ausbildung "unvollständig". Nur in den Spielen kann eine Spielerin die Erfahrung sammeln, die später auf höhere Ebene unerlässlich ist - oder ist schon mal jemand durch bloßes Training besser geworden?

Die Tatsache, dass Spielerinnen fünf Tage in der Woche in St. Pölten zur Schule/zum Training gehen und (im Idealfall) Freitag-Nachmittag für Abschlusstraining und Bewerbsspiel zu ihren Stammvereinen reisen, bringt viele Nachteile und teils kontroverse Diskussionen mit sich.

Da wäre zum einen die Einschränkung der "Lebensqualität" der Sportlerinnen, die jedes Wochenende – je nach Stammverein – hunderte Kilometer und demnach mehrere Stunden pendeln müssen. An dieser Stelle kommt dann auch der vielzitierte "Standortvorteil" für Neulengbach und St. Pölten ins Spiel. Die "Big-Two" haben durch ihre örtliche Nähe zur Akademie nicht nur bei Transferverhandlungen, sondern auch bei der "Greifbarkeit" der Spielerinnen Vorteile.

Vereinzelt klagten Vereinsverantwortliche darüberhinaus über die mangelnde Kommunikation zwischen NZF und den Bundesliga-Trainern. Vor allem was Trainingssteuerung und Regenerationsphasen betrifft dürfte das Verbesserungspotenzial dahingehend noch recht groß sein. Dazu kommt, dass die besten Spielerinnen (nämlich jene des NZF) unter der Woche im Vereinstraining fehlen. Die damit verbundenen Qualitäts- und Quantitätseinbußen lassen das Niveau des Trainings klarerweise deutlich sinken. Wobei auch hier wieder klare Unterschiede zwischen den Teams festzustellen sind. Oder will ernsthaft jemand bestreiten, dass die Trainingsqualität bei Champions-League-Teilnehmer SKN St. Pölten und beim Vorjahres-Neunten, Wacker Innsbruck, nach Abzug der Akademie-Spielerinnen gleich hoch ist?

Breiteres Fundament mauern, speziellere Ausbildung ermöglichen

Klar ist, dass der nächste Schritt sein muss, die Standortvorteile verschwinden zu lassen. Lösungsansätze gebe es einige. Machbar sind davon bei der derzeitigen Budgetlage (die ich selbstverständlich nicht kenne, aber annehme) wahrscheinlich keine. Denn was es bräuchte, sind weitere Akademien nach ähnlichem Modell an unterschiedlichen Standorten bundesweit.

Ein Beispiel: Mit drei weiteren Akademien in Graz, Linz und Innsbruck würde man nicht nur mehr Spielerinnen die professionellen Ausbildung und Betreuung zugänglich machen. Darüberhinaus wäre die Distanz zwischen Stammverein und Akademiespielerin geringer, was bessere Trainingssteuerung und mehr Trainingseinheiten mit VereinstrainerInnen nach sich ziehen könnte.

All jenen, die lautstark und voller Unverständnis weitere Standorte fordern, sei gesagt: Es ist immer auch eine Geldfrage. Der ÖFB sieht dieses Problem mit Sicherheit auch. Gut, auf der anderen Seite könnte man auch argumentieren, dass der Fußballverband sich durch mehr Standorte "ins eigenen Knie schießen" würde, weil dann die Jugendnationalmannschaften nicht mehr ganzjährig an einem Standort trainieren könnten. Wobei auch dieses Problem sicher zu lösen wäre.

Spinnen wir das Gedankenexperiment aber vorerst weiter: Mit einer Installation eines "Akademie-Netzwerkes" müsste aber auch eine Qualitätssteigerung der Grundausbildung einhergehen. Denn klar ist auch, dass die Ausbildung im NZF (14-19 Jahre) zu spät kommt. Schon jetzt - mit nur einem Standort und einer überschaubaren Zahl an jährlichen Neuaufnahmen - ist immer wieder zu hören, dass Spielerinnen mit völlig unterschiedlichen Grundausbildungen und Vorkenntnissen nach St. Pölten kommen.

Selbstverständlich wird bei den Sichtungen seitens des ÖFB darauf geachtet, dass die Grundlagen der einzelnen Akteurinnen bereits gut ausgebildet sind. Trotzdem wäre es wünschenswert, die Einbindung junger Mädchen in die örtlichen LAZ-Gruppen österreichweit zu verstärken. Dort kann eine breitere Masse schon in jungen Jahren mit erfahrenen, lizenzierten Trainern auf das sportliche Niveau im NZF (oder laut Gedankenexperiment: in den vier NZFs) vorbereitet werden. In den LAZs erfolgt üblicherweise eine fundiertere, qualitativ hochwertigere Grundausbildung als in den Vereinen.

Hier sind auch die zuständigen Verbände gefragt, Mädchen in den LAZs in verschiedenster Form zu fördern, da die Ablehnung von LAZ-Trainern, Mädchen aufzunehmen, vielerorts noch immer groß zu sein scheint.

Die Chancen im Gedankenexperiment "Akademie-Netzwerk", dass ich an dieser Stelle auch schon wieder beenden möchte, wären vielschichtig. Auch für die von vielen TrainerInnen geforderte "stärkere individuellere Förderung für absolute Ausnahmespielerinnen" könnten durch eine effizienter werdende Ausbildung Kapazitäten frei werden.

Liga-Niveau steigt langsam an

Der ÖFB hat sich mit der Installation des NZF vor fünf Jahren dafür entschieden, die Spitze des österreichischen Frauenfußballs zu formen und zu stärken und wird in einem nächsten Schritt nach und nach dafür sorgen, auch genügend Breite herzustellen. Es ist sicher nicht wegzudiskutieren, dass sich viele den umgekehrten Weg gewünscht hätten und das Geld und die Förderungen lieber in den Vereinen gesehen hätten. Fakt ist, dass der Verband nur einen Weg gehen konnte und diesen bisher erfolgreich durchzieht.

Und unter Vorbehalt der bereits oben genannten Nachteile und Einbußen: Von der Akademie profitiert - neben den Nationalteams – auch die Bundesliga. So eine Masse an top-ausgebildeten Spielerinnen tummelte sich in der ÖFB Frauen Bundesliga noch nie. Wer es nicht glaubt, kann ja bei den Viktoria Madls, Maria Gstöttners und Natascha Celouchs dieser Welt nachfragen. Keiner von den Genannten wird sagen, dass das Liga-Niveau vor 2011, als sämtliche Spielerinnen "nur" in den Vereinen trainiert haben, besser war.

Die ÖFB Frauen Bundesliga ist auf einem guten Weg, aber die Kluft zwischen dem (noch) kleinen Teil an professionell ausgebildeten Spielerinnen auf der einen und "auf herkömmlichem Wege" herangeführten Spielerinnen ist derzeit eklatant groß. Hier besteht aber die Chance, dass sich das System sozusagen selbst heilt. Nur die absoluten Toptalente jedes Jahrgangs schaffen nach dem NZF-Abschluss tatsächlich den Sprung ins Ausland. Im Normalfall bleibt die überwiegende Mehrheit der ÖFB Frauen Bundesliga erhalten. Will heißen: Es besteht die Möglichkeit, dass sich in ein paar Jahren in den zehn Erstliga-Vereinen fast ausschließlich Akteurinnen tummeln, die NZF-Vergangenheit haben.

Erstklassige Trainer, nicht einmal zweitklassige Strukturen

Aber auch jene Spielerinnen, die es nie bis nach St. Pölten schaffen, ist eine fachlich erstklassige Ausbildung theoretisch möglich. Denn obwohl die Qualität in den Trainingsgruppen des Stammvereins nicht wesentlich besser werden wird, haben es die meisten Klubs mittlerweile zumindest verstanden, Top-Trainer zu installieren. Gut, mehr oder weniger zwangsweise, denn A-Lizenz-TrainerInnen sind vorgeschrieben, aber immerhin.

Leider lässt der absolute Großteil der Klubs in fast allen anderen Bereichen die notwendige Professionalität vermissen. Die beginnt selbstverständlich beim leidigsten aller Themen im Amateurfußball – dem Geld. Während es ein offenes Geheimnis ist, dass sich die männlichen Kollegen in den fünften und sechsten Ligen des Landes gerne einmal mit 500 bis 1.000 Euro monatlich entlohnen lassen, schauen weibliche Kickerinnen mehrheitlich durch die Finger. Oftmals ist ein "Fahrtkostenersatz" das Höchste der Gefühle.

Gut, woher soll das Geld auch kommen. Der Großteil der Spiele findet quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dazu aber unten mehr.

Grundsätzlich bin ich der Meinung: Wenn das nächste Ziel des ÖFB sein muss, nach der erfolgreichen Festigung der "Spitze" nun auch mehr "Breite" (bspw. über mehrere Akademie-Standorte) aufzubauen, muss das nächste Ziel der Vereine sein, den hochdekorierten TrainerInnen und teilweise schon gut ausgebildeten Spielerinnen die notwendigen professionellen Strukturen zur Verfügung zu stellen (PhysiotherapeutInnen, MasseurInnen etc.). Nur so schafft man die Basis für ein höheres sportliches Niveau, neue Vermarktungsmöglichkeiten und bessere finanzielle Rahmenbedingungen.

Funktionärs-/Management-Ausbildung im Sinne des Professionalisierung

Aber wo gilt es anzusetzen? Das größte Problem liegt – und hier findet sich ausnahmsweise kein Unterschied zum Herren-Fußball – im Funktionärs- bzw. Managementwesen. Während TrainerInnen eine sehr hohe Lizenzierungsstufe erreichen und sich ständig weiterbilden müssen fehlen solche Qualitätskontrollen bzw. –sicherungsmaßnahmen für Vereinsfunktionäre (Obmänner, Sportliche Leiter, Manager) völlg. Im Grunde kann jeder, der sich gerne (ehrenamtlich) engagieren will, einen Klub aus der ÖFB Frauen Bundesliga "führen".

Das Problem: Know-How und Weitblick fehlen den Frunktionären und Managern oftmals. Die Ämter werden, wenn überhaupt, während der Ausübung erlernt. Viele haben selbst nie Fußball gespielt – was nicht schlimm wäre, gebe es eine fachliche, von mir aus durch den ÖFB angebotene, "Schulung". Fragt man TrainerInnen, Spielerinnen oder FunktionäreInnen nach Möglichkeiten, die ÖFB Frauen Bundesliga weiter zu professionalisieren, sehen das viele ähnlich. Eine Funktionärs- und Management-Ausbildung wird nicht selten gefordert. Wer diese bezahlen soll? TrainerInnen, die sich ihre Ausbildungen zumeist selbst finanzieren müssen, können über diese Frage wohl nur lachen...

Um das alles nicht falsch zu verstehen: Ich habe höchsten Respekt vor jenen, die sich in ihrer Freizeit in unzähligen ehrenamtlichen Stunden in den Dienste einer Sache stellen. Sie alle versuchen die Vereine nach bestem Wissen und Gewissen zu unterstützen, daran gibt es keinen Zweifel. Leider übersteigt deren Einsatz das benötigte Fachwissen aber oftmals um ein Vielfaches.

Klar ist einerseits: Die Schuld liegt dabei nicht zwingend nur bei den FunktionärInnen. Klar ist aber auch: Es können nicht immer nur die Spielerinnen und TrainerInnen sein, von denen gute Arbeit – von welcher Seite auch immer – eingefordert wird.

"Trikot-Gate" als mahnendes Beispiel

Fehlendes Know-How wirkt sich unter Umständen auch auf die Finanzen der Klubs aus. Auf die Frage, ob es nicht aufgrund regionaler Unterschiede einen Ligasponsor braucht, dessen Geld an die Klubs verteilt wird, stimmten mir in der Vergangenheit zahlreiche Gesprächspartner zu. Ein Trainer antwortete aber auch: "Es steht jedem Klub frei, Sponsoren-Geldern zu lukrieren. Manchen ManagerInnen und FunktionärInnen gelingt das eben besser als anderen."

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Zwei Mannschaften, oder doch nur eine?
Fotocredit: Facebook
Es gibt in unserem Sport, speziell in der ÖFB Frauen Bundesliga, aber viele "Problemfelder", die nicht alleine den fehlenden Geldmitteln zuzuschreiben sind. Als Beispiel dafür möchte ich noch einmal "Trikot-Gate" zwischen LUV Graz und USC Landhaus in Erinnerung rufen (siehe Foto). Mir ist klar, dass es sich bei besagtem Spiel um einen Fehler handelt, der passieren kann und auf keinen Fall überbewertet werden soll. (Und selbst auf allerhöchste Ebene schon passiert ist: Bayern München hatte 2001 zum Auswärtsspiel gegen Köln die falschen Trikots eingepackt und musste in Markierungsleibchen spielen; Anm.) Es versteht sich aber auch von selbst, dass so etwas nicht mehr vorkommen darf und dass es nicht das erste Mal war, dass die Trikotwahl zweier Teams der ÖFB Frauen Bundesliga fragwürdig war.

Über diese Panne habe ich zuletzt mit zahlreichen Personen im Umfeld des österreichischen Frauenfußballs gesprochen. Viele meiner GesprächspartnerInnen stuften "Trikot-Gate" zurecht als mahnendes "Beispiel für die Amateurhaftigkeit der Strukturen" in der ÖFB Frauen Bundesliga ein. Und allen, die argumentieren, dass jedes bisschen Professionalität immer Geld kosten muss, sei gesagt: Professionalität ist nicht immer nur eine Frage von Geld. Professionalität heißt vor allem, die richtige Einstellung zur Sache zu haben.

Professionalisierung einer reinen Amateurliga geht nur Schritt für Schritt

Ein Hauptproblem kann ohne Geld – und damit in naher Zukunft – wohl kaum gelöst werden. Das Infrastruktur-Problem. Weil viele Frauen-Fußball-Sektionen Teil kleiner Vereine, oder gar eigenständige Vereine mit niedrigen Budgets sind, fehlt es zumeist an qualitativ Hochwertigen Rasenplätzen für Spiele und Trainings. Nicht selten müssen Vereine in benachbarte Gemeinden ausweichen, weil Plätze nicht frei sind oder gar nicht vorhanden sind.

Auch die Beschaffenheit der meisten Tribünen, Kabinen und Zufahrten ist oftmals mangelhaft. Vielleicht nicht aus Sicht der treuen Fans oder der Spielerinnen. Aber man denke in die ferne Zukunft und stelle sich vor, der ORF oder eine andere Fernsehstation fragen nach dem Zugang zum Kameraturm/zur Kameraplattform oder nach einer Parkmöglichkeit für die Übertragungswägen?

Weil den Vereinen für solche Dinge das Geld fehlt, halte ich auch ein Lizenzierungsverfahren, wie es in den professionellen Herren-Ligen durchgeführt wird, für falsch. Die ÖFB Frauen Bundesliga ist immer noch eine reine Amateurliga, die, was professionelle Strukturen betrifft, in den Kinderschuhen steckt. Dennoch darf der Liga-Veranstalter nicht davor zurückschrecken, auch einmal Auflagen festzuschreiben.

Der Weg von der reinen Amateurliga zu einer Amateurliga mit professionellen Strukturen oder gar einer semi-professionellen Liga hat gerade erst begonnen. Um ihn erfolgreich weitergehen zu können, müssen sämtliche involvierte Personen und Organisationen an einem Strang ziehen und die in ihrer Zuständigkeit stehenden "Problemfelder" erkennen und Schritt für Schritt lösen.

Bessere Vermarktung der Frauen Bundesliga als nächster Schritt

Das beginnt, wie aus meinen bisherigen Ausführungen hoffentlich hervorgeht, bei den Spielerinnen, TrainerInnen, FunktionärInnen, Vereinen, im NZF und endet nicht zuletzt beim Ligaveranstalter, der für eine attraktive Liga und deren Vermarktung sorgen muss. Auf Letzteres möchte ich nun kurz eingehen. Dazu muss ich aber kurz ausholen.

Der Unterschied zwischen der Organisation der ÖFB Frauen Bundesliga und "tipico Bundesliga" (Männer, Anm.) mag für viele nicht groß sein. Zehn Mannschaften, jede Woche fünf Spiele, hin und wieder Länderspielpause, zwischendurch Champions League & Co, das alles in einen Kalender gepresst, den im Wesentlichen die UEFA vorgibt. Mag so sein, allerdings hängt an der Organisation der "tipico Bundesliga" eine unendliche Reihe von zusätzlichen Aufgaben. Diese reichen von der Vermarktung der Liga über den Verkauf von TV-Rechten der Spiele bis hin zu Lizenzierungsverfahren und machen die Liga zu dem, was sie ist - ein professionelles Gesamtprodukt. Mit diesen Aufgaben ist seit 1991 der eigens gegründete (im ÖFB eingegliederte) gemeinnützige Verein "Österreichische Fußball-Bundesliga" betraut.

Auf dessen Website heißt es: "Die Bundesliga trägt heute die Verantwortung und ist Ausrichter bzw. Veranstalter für die Meisterschaften der beiden höchsten Spielklassen in Österreich." Die ÖFB Frauen Bundesliga wird demnach nicht von der "Österreichischen Fußball Bundesliga" veranstaltet, die mit ihren Aufgaben ausgelastet ist, sondern (wie der Name schon sagt) vom ÖFB. Der Nationale Fußballverband steckt seine Ressourcen aber selbstredend in seine Haupttätigkeiten (Entwicklung des Fußballs, Administration, Überwachung und Schutz des Reglements und der Bestimmungen; Anm.) und ist damit eigentlich ebenfalls ausgelastet.

Es muss in naher Zukunft gelingen, für die wachsende Branche Frauenfußball entsprechende Ressourcen freizuschaufeln. Man darf davon ausgehen, dass auch die Verantwortlichen beim ÖFB wissen, dass es für weitere Entwicklungen des Sports auch eine Weiterentwicklung der Bundesliga braucht. Ganze Strukturen zu verändern ist – vor allem für so große Organisationen – aber nicht einfach und geht schon gar nicht schnell. Deshalb muss man einfach Geduld haben. Der ÖFB kann, wie die Vereine und die Spielerinnen auch, immer nur einen Schritt nach dem anderen machen.

Deshalb möchte ich folgendes noch einmal in Erinnerung rufen: Der ÖFB hat mit der Installation des NZF für einen Riesenschritt gesorgt. Dass diesem über die vergangenen Jahre das Hauptaugenmerkt des Verbandes galt und auch weiterhin gelten wird, darf keine Überraschung sein.

Chance durch Liga-Reform?

Man darf aber genauso davon ausgehen, dass der ÖFB in absehbarer Zeit sehr wohl eine Art "Vermarktungsoffensive" für die Frauen Bundesliga in Angriff nehmen wird - ob der nationale Fußballverband dazu das Know-How und die Ressourcen der "Österreichischen Fußball Bundesliga" nutzt oder nicht, wird man sehen. Eine Chance, die Verantwortungen über die Frauen Bundesliga neu zuzuteilen, könnte die ins Haus stehende Reform der obersten Männer-Ligen zur Saison 2018/19 bringen. Dann, wenn Österreichs Profi-Fußball auf eine 12er-Bundesliga und einer 16er-"Erste Liga" umsteigt, könnten Ressourcen für das Frauen-Oberhaus abfallen.

Dann ergibt sich vielleicht auch die Chance, kleine Teile der Fernsehberichterstattung zum Frauenfußball an die Rechtepakete der Herren zu koppeln. Ein Beispiel: Sichert sich der ORF die Übertragungsrechte an der "tipico Bundesliga", verpflichtet sich der Sender automatisch, ein Highlightspiel jeder Runde der Frauen Bundesliga im Rahmen von "Sport Bild" zu zeigen.

Aber eines vorweg: All jenen, die noch immer die Hoffnung haben, dass demnächst ganze Spiele live über die Bildschirme flimmern, sei gesagt: Es wird noch Jahre dauern, bis es so weit ist. Und auch das angesprochene Beispiel, mit einem Highlight-Spiel pro Runde, ist absolute Zukunftsmusik und ist nur ein kleiner Teil der angesprochenen "Vermarktungsoffensive", die auf jeden Fall auf uns zukommt.

Pressearbeit als Fundament: Medien müssen Infos unter die Nase gerieben bekommen!

Warum aber bin ich der Meinung, dass wir von großer Medienpräsenz der Frauen Bundesliga noch weit entfernt sind? Ganz einfach: Es gilt auch hier, einen Schritt nach dem anderen zu machen. Und Frauen Bundesliga im Fernsehen - in welcher Form auch immer - ist aktuell ein Schritt, dem noch unzählige andere vorangesetzt werden müssen.

Am Anfang eines solchen Prozesses müssten ganz andere, grundlegende Dinge stehen. So gilt es zum Beispiel zunächst, die Frauen Bundesliga im Bewusstsein der Fußballfans zu verankern - sozusagen sicherzustellen, dass jeder Fußballfan über die Existenz der Liga bescheid weiß. Dies könnte über eine Aufstockung der Anzahl an Presseaussendungen gelingen, oder über "neue" Plattformen, wie eine zentrale, ligaweite Website oder eine Facebook-Page. Diese Plattformen sind der Anstoß zu einer besseren Medienberichterstattung, die bislang mehr oder weniger nur über private "Liebhaber-Projekte" im Internet stattfand/stattfindet (und wie im Falle von fanreport.com die Zeit der TrainerInnen in Anspruch nimmt.)

Um die Attraktivität der Frauen Bundesliga zu steigern, muss es gelingen, die großen, traditionellen Medien (ORF, Krone, Standard, div. Radio-Programme etc.) zur Berichterstattung zu bewegen. Aufgrund der immer kleiner werdenden Redaktionen braucht es dafür aber zu allererst eine gute Öffentlichkeitsarbeit, sodass Medien mit Topcontent gefüttert werden.

Das müsste natürlich idealerweise über ein Agentur erfolgen. Aber an dieser Stelle muss man auch die Vereine in die Pflicht nehmen. Es kann nicht sein, dass noch immer nicht alle Vereine der Frauen Bundesliga eine aktuelle Website und einen Facebook-Auftritt haben und nicht zumindest zweimal wöchentlich Pressesaussendungen an alle Medien-Vertreter des Landes schicken.

Erst wenn all diese kleinen Dinge, die für die Vermarktung und die Attraktivitätssteigerung der Frauen Bundesliga essentiell sind, umgesetzt sind, können größeren Projekte in Angriff genommen werden, die dann Gelder in die Kassen der Liga und der Vereine spülten könnten – wie Sponsoren-Beteiligungen (Stichwort: Ligasponsor!) oder Geld aus TV-Übertragungsrechten.

Für kleinere Verbesserungen braucht es nicht immer Geld

Was ich klar machen möchte: Der Frauenfußball in Österreich ist – vielleicht mit Ausnahme der Nationalteams – noch nicht so weit, in naher Zukunft die ganz große Bühne zu betreten, auf der viele sie fälschlicherweise jetzt schon sehen. Den großartigen Leistungen, die Spielerinnen und TrainerInnen Tag für Tag bringen, wird das natürlich keinesfalls gerecht. Aber es bleibt festzuhalten, dass die Liga - trotz aller Entwicklungen in den vergangenen Jahren - in den Kinderschuhen steckt. Es gilt deshalb, sich Schritt für Schritt professionelleren Rahmenbedingungen anzunähern.

Dazu zählen, wie eben geschildert, Dinge, die viel Zeit und noch mehr Geld und Ressourcen benötigen. Aber eben auch Dinge, die man seitens der Vereine sofort angehen könnte, wie die Anreise zu einem Auswärtsspiel mit zwei Trikotsätzen oder die Pflege einer (halbwegs aktuellen) Web- bzw. Facebook-Seite. Auch die Organisatoren der Frauen Bundesliga könnten die Wertigkeit der Liga mit dem Drehen einiger Stellschrauben im Handumdrehen erhöhen.

Beispielsweise könnte man, anstatt unterklassiger SchiedsrichterInnen, künftig die "Talente-Kader" aus den diversen Landesverbänden oder Top-Schiedsrichter aus dem Herrenbereich (die ohnehin eine gewisse Anzahl an Spielen im Amateurbereich leiten müssen, Anm.) in der Frauen Bundesliga einsetzen. Das soll nicht heißen, dass es aktuell keine guten SpielleiterInnen gibt, im Gegenteil! Die Unparteiischen kassieren überwiegend Lob von den TrainerInnen der Klubs. "Überwiegend" heißt aber eben nicht "fast ausschließlich", sondern "überwiegend" heißt, dass es auf der anderen Seite viele gibt, die mit der Spielleitung einer Frauen-Bundesliga-Partie einfach nicht zurechtkommen.

It was a good run!

Damit neigt sich mein mehrseitiger Abriss des österreichischen Frauenfußballs dem Ende zu. Dabei bin ich auf zahlreiche Themenbereiche und "Problemfelder" gar nicht eingegangen. Dennoch hoffe ich, dass sowohl für Gelegenheitsfans, aber auch eingefleischte Experten interessante, neue Aspekte dabei waren, die weitere Sichtweisen auf unterschiedlichste Teilaspekte unseres wunderbaren Sports eröffnet haben.

Ich danke den Verantwortlichen von fanreport.com, die nicht nur das immer passende Korsett für meine Berichterstattung zur Verfügung gestellt haben, sondern auch stets mit Rat, Tat und Teamgeist zur Seite standen.

Außerdem möchte ich mich auch herzlich bei allen Usern bedanken, die der Frauenfußball-Berichterstattung über die Jahre die Treue gehalten haben. Ich hatte die Ehre, von großen Champions-League-Abenden, denkwürdigen Länderspielen, spannenden Cup-Endspielen vor allem aber von rund 400 Frauen-Bundesliga-Spielen zu berichten. Ob die Berichterstattung in irgendeiner Form und durch andere Redakteure eine Fortsetzung findet, steht zum jetzigen Zeitpunkt nicht fest. Ich selbst werde dem Frauenfußball als "Fan" weiterhin erhalten behalten und nach wie vor einige Spiele besuchen.

"Fan" werde ich aber auch dann nicht von einer Mannschaft sein, sondern von allen ProtagonistInnen – vor allem von jenen auf dem Platz. Ihnen gelten auch die abschließenden Dankesworte. Liebe Spielerinnen, liebe TrainerInnen: Eure großartigen Leistungen machten eine solch umfangreiche Berichterstattung erst möglich.

Danke für ganz großen Sport!

Ihr/Euer
Kevin Bell

Kevin Bell
Kevin Bell - Redakteur
kevin.bell@fanreport.at

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