Trainereffekt - mehr als ein Placebo?

23.10.2012

kolumne_hirsch
Der berühmt berüchtigte Trainereffekt. Was ist dran? Statistisch nicht viel, aber die Praxis beweist uns in der LLO bislang das Gegenteil.
Zwei Beispiele aus dem aktuellen Ligabetrieb
Es steht jeder Trainer vor demselben Problem: Spielen müssen die Spieler, wenn diese Spieler in keiner Topform sind oder der gegnerische Torwart großartig hält und du deshalb Woche für Woche die Partien verlierst, dann wird natürlich über das schwächste Glied der Kette nachgedacht.“, äußerte sich Pergs Neo-Coach Herbert Kawrtnik im fanreport-Interview über das kurzlebige Trainergeschäft. Nicht nur im Profifußball, auch im Amateurbereich gehören Trainerentlassung zur Tagesordnungen und werden dann von den Medien gerne breit getreten. Auch in Perg erhoffte man sich etwas vom gern zitierten „Trainereffekt“, bislang sollte sich dieses Phänomen bewahrheiten. Aus den zwei Spielen unter dem neuen Übungsleiter holten die Machländer vier Punkte, und das gegen spielstarke Mannschaften wie den SK St. Magdalena und den ATSV Sattledt.

Aber die Bestellung von Kawrtnik war nicht der einzige Trainerwechsel in der Landesliga Ost. Auch OÖ-Liga-Absteiger Union Weißkirchen zog nach einem verpatzten Saisonstart die Handbremse und gab die Trennung von Ervin Begic bekannt. Ihm folgte für zwei Wochen das interimistische Trainerduo Schill und Paseka, bis schließlich Alfred Olzinger die Geschicke übernahm. Seitdem der neue Übungsleiter am Ruder ist konnten die Zebras aus drei Spielen immerhin vier Punkte einstreifen, einen mehr als in den sieben Runden zuvor.

Was ist also dran am berühmten Trainereffekt? Spielt der Trainer eine so wichtige Rolle, dass alleine er für die Leistung einer Mannschaft verantwortlich ist?

Worauf ein Trainer Einfluss hat
Der Trainer ist in erster Linie da um der Mannschaft den, seiner Meinung nach richtigen Weg zu weisen, gehen müssen ihn die Sportler jedoch selbst. Er kann motivierend einwirken und seinen Spielern Ziele aufzeigen, die die Akteure dann auch erreichen sollen. Immer wieder auf diese Ziele hinzuweisen und sie bei Bedarf neu zu stecken, auch das liegt im Aufgabenbereich des Trainers. Dabei gilt es natürlich auf die derzeitige Situation der Mannschaft Rücksicht zu nehmen. Hat die Truppe Erfolg, so muss sie der Trainer ganz anders motivieren, als wenn sie im Tabellenkeller steht. Hier bedarf es außerordentlich viel Fingerspitzengefühl.

Trainerwechsel als Motivationsschub?
Ob ein Trainerwechsel auch gleichzeitig ein Motivationsschub sein kann, damit beschäftigten sich David Boffa, Marc Grütter, Pascal Benaglia u.a. in ihrer 2009 erschienen Studie „Trainerwechsel – Nutzen oder Schaden?“ Sie kommen darin zum Schluss, dass die sportliche Herausforderung nach einer Niederlagenserie (die primäre Ursache für einen Trainerwechsel) endlich wieder Erfolg zu haben durchaus ein wesentlicher Motivationsfaktor sein kann. Außerdem belebt ein neuer Trainer den Konkurrenzkampf, konnte es doch vorkommen, dass sein Vorgänger allzu sehr an arrivierten Spielern festhielt und junge, hungrige Spieler so keine Möglichkeiten auf Einsatzzeiten bekamen. Wie etwa im Fall der Union Perg, wo Kawrtnik etwa an nicht weniger als 6 Stellen personelle Veränderungen vorgenommen hatte und eine dieser Änderungen, nämlich den gelernten Stürmer Fülöp, der zuvor zum Verteidiger umfunktioniert worden war, wieder nach vorne zu beordern und dieser gleich den entscheidenden Treffer erzielte, bereits im ersten Spiel Erfolg brachte. Aber Boffa und Co. sprechen auch gleichzeitig die Problematik an, dass nach einer kurzfristigen Phase der Euphorie der Rückfall in alte Verhaltensmuster droht. Erst dann zeige sich, ob der neue Trainer besser ins Mannschaftsgefüge passe als der neue Trainer.

Ob sich denn ein Trainerwechsel lohnt ist eine empirische Frage. Nikolaus Beck (Uni Erfurt) und Mark Meyer (Uni Gießen) betrachteten die 71 außerplanmäßigen Trainerwechsel in der Deutschen Fußball Bundesliga in den Jahren 1992 bis 2004. Dabei kamen sie zu einem interessanten Ergebnis: Gerade einmal fünf Trainer hatten mit ihren Mannschaften nach dem Trainerwechsel langfristigen Erfolg, bei den anderen 66 Wechseln war kein nachhaltiger Effekt zu erkennen. Deshalb muss man andere Fragen stellen.

Die Fans als wichtiger Faktor
Interessant ist auch die Reaktion der Zuschauer auf eine Trainerentlassung, sind diese doch dank eines neuen Verantwortlichen oftmals euphorisch und erhoffen sich einen Umbruch im Team. Unter einem neuen Übungsleiter fühlen sich Erfolge intensiver an, Niederlagen werden dagegen eher als Ausrutscher akzeptiert wie zuvor. Daraus ergibt sich auch eine Art „Heim-Effekt“, denn nach Amtsantritt eines neuen Trainers werden Heimspiele statistisch gesehen häufiger gewonnen. Perg gewann sein erstes Heimspiel unter Kawrtnik mit 1:0, Weißkirchen verlor sein erstes unter Olzinger dagegen mit 1:2. Juan de Dios Tena und David Forrest führten im Zeitraum von 2002 bis 2005 eine empirische Studie im spanischen Profifußball durch und kamen dabei zum Ergebnis „Trainerwechsel bringen grundsätzlich nichts“, steigern aber die Leistung der Mannschaft bei Heimspielen. Dies sei aber nicht direkt auf den Einfluss des Trainers auf seine Spieler zurückzuführen, sondern auf den Einfluss der Fans. Diese waren aufgrund des neuen Trainers oft voller Enthusiasmus und trieben die Mannschaft dank ihrer positiven Stimmung bis an ihre Leistungsgrenze.

Was bringt der Trainerwechsel letztlich?
Boffa und Co. kommen zu dem Schluss, dass ein Trainerwechsel nur dann etwas bringt, wenn man auch daran glaubt und vergleichen das Phänomen dabei mit jenem eines Horoskops. Stichwort: Selbsterfüllende Prophezeiung. Im reinen Empfinden bringt ein Trainer die Mannschaft also weiter, statistisch belegen lässt sich dies wohl kaum. Deshalb sei auch an dieser Stelle noch einmal der Vergleich mit einem Placebo erlaubt. Zum Abschluss lassen wir noch Marie von Ebner-Eschenbach zu Wort kommen, die folgende Weisheit für uns parat hält: "Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, so ist es der Glaube an die eigene Kraft." Und diesen Glauben an sich selbst konnten unsere beiden Fallbeispiele aus der Landesliga Ost ihren Kickern offensichtlich zurückgeben. Trainereffekt hin oder her.

Was denken unsere Leser über den berühmt-berüchtigten Trainereffekt? Schreibt uns eure Meinung an: philip.hirsch@fanreport.at, oder diskutiert mit auf unserer Facebook-Seite unter:
fanreport.at Oberösterreich

Dominik Jenewein hat übrigens im April eben jenes Thema bereits in seiner Kolumne aufgegriffen und kommt dabei zu einer gänzlich anderen Einschätzung: Trainereffekt oder Wintermetamorphose?

Philip Hirsch
Philip Hirsch - Chefredakteur
philip.hirsch@fanreport.at

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